Endlich raus aus Marseille – der Küste entlang auf die Pyrenäen

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Endlich weiter, endlich aus unserem 12 m²-Hotelzimmer auschecken, raus auf unsere geliebten Velos, der Küste entlang Richtung Süden. Noch etwas behutsam nach der Grippe ist unser Tagesziel nicht allzu weit gesteckt. Schon nach wenigen Kilometern wird es endlich wieder einmal etwas ruhiger – Marseille ist eine extrem laute und dreckige Stadt! Auch ändern sich die Düfte von Hundekot und Urin in frische Meeresluft und Kräuter der Provence – ja, die wachsen wirklich überall in der Provence 😅.
Durch die lange Zwangspause fühlte es sich an, als würden wir erneut auf unser grosses Abenteuer starten.

Das Klima entlang der Küste wirkt sehr trocken: viele Nadelbäume, erste Kakteen und lehmiger oder sandiger Boden. So dachten wir uns an unserem ersten wunderschönen Wildzeltplatz etwas ausserhalb der Stadt: Da werden wir bestimmt eine richtig ruhige Nacht haben, denn Tiere gibt es hier sicher keine. Keine 20 Minuten, nachdem wir uns ins Zelt gelegt hatten, meinte Nicole bei einem komischen Geräusch: «War das ein Schwein!?»
Beni: «Nein, in dieser trockenen Region ohne Wasser und ohne Schlamm, wo sie sich wälzen können, gibt es bestimmt keine Schweine. Das war sicher ein Motocross, den man beschleunigen hörte.»
Also beschlossen wir, uns wieder hinzulegen und zu schlafen.
Beni: «Scheisse, jetzt habe ich es auch gehört 🙈🐗!» Dieses Mal sind wir richtig erschrocken – und das Schwein offenbar auch. Als wir aus dem Zelt sprangen, sahen wir es nur noch davonrennen. Moment mal: Direkt hinter unserem Zelt stand ein Trog, gefüllt mit Wasser. Der war also nicht zufällig da – hier tränkt jemand seine Schweine 😂. Und wir waren so schlau und stellten unser Zelt direkt davor auf. Kein Wunder kam das Schwein so nahe. Zum Glück haben wir uns für diese Reise für ein kleineres, freistehendes Zelt (Durston X-Dom 2) entschieden. Es war ein Leichtes, das Zelt ein paar Meter wegzutragen. Jetzt konnte das Schwein in Ruhe trinken und wir in Ruhe schlafen.
Leider wiederholten sich diese nächtlichen Begegnungen in den nächsten zwei Tagen. In der zweiten Nacht zelteten wir unwissentlich zwischen Eichelbäumen, die als Futter für die wild lebenden Iberico-Schweine genutzt werden und später dem Fleisch den typischen nussigen Geschmack verleihen. Doch das Grunzen der Schweine war uns inzwischen egal – die tun ja nichts, solange man ihnen nicht im Weg steht. Als wir dann aber unser Velo umfallen hörten, waren wir wieder hellwach und im Nu draussen. Ein fast handzahmer Fuchs hatte wohl unsere Pizza-Reste im Essenssack gerochen. Zum Glück haben wir das bemerkt, denn er hatte bereits ein Gummiseil durchgebissen und unseren Rucksack ein paar Meter weggezogen. Der Fuchs wollte einfach nicht weichen, daher war auch diese Nacht nur mittel erholsam.
Am dritten Abend sahen wir zwar bereits Spuren im Schlamm, erschraken dann aber trotzdem, als das Schwein mit einem lauten Platschen in den Bach direkt neben unserem Zelt sprang, um ihn zu überqueren.
Dann war das nächtliche Spuken endlich vorbei. Der Weg führte uns weiter in Richtung des «Regionalen Naturpark Camargue».

Die Camargue liegt im riesigen Rhône-Delta, wo sich der mächtige Fluss in mehrere Arme teilt und eine einzigartige Landschaft aus Wasser, Salz und fruchtbarem Schwemmland formt. Weite Ebenen, flache Salzseen, wilde Lagunen und unzählige Vögel prägen dieses Gebiet. Flamingos standen zu Dutzenden im seichten Wasser, als wären sie extra für uns dort platziert worden. Die Mischung aus Meer, Sumpf und trockenen Ebenen verleiht der Camargue eine ganz eigene Atmosphäre.

2.11.2025: Unser Plan war es eigentlich in Salin-de-Giraud auf dem Campingplatz zu übernachten. Wir hatten starken Gegenwind, waren müde, und für den nächsten Tag waren Böen mit bis zu 50 km/h angesagt. Dort angekommen stellten wir allerdings fest, dass der Campingplatz ausgerechnet ab heute für die Winterzeit schliesst.
Als wir uns auf Google Maps nach Alternativen umsahen, merkten wir schnell, dass das nicht die Ausnahme, sondern eher die Regel ist. Also warfen wir den Plan über den Haufen und quälten uns noch ein paar weitere Kilometer gegen den Wind, um einen geeigneten Platz zum Wildzelten zu finden.
Obwohl wir am nächsten Morgen früh starteten, machten sich die 50-km/h-Böen schon bald bemerkbar. Immerhin hatten wir in Saintes-Maries-de-la-Mer noch einen geöffneten Campingplatz ausfindig gemacht. Dort fanden wir einen windgeschützten Zeltplatz – und eine Dusche war nach den letzten Tagen auch dringend wieder einmal nötig!

Beni hat Geburtstag und passend dazu dreht der Wind und die Sonne lacht uns den ganzen Tag ins Gesicht. Einen Geburtstag auf einer langen Reise zu feiern, ist etwas Besonderes. Man freut sich, aber wirklich feiern lässt er sich nur begrenzt. Ein gutes Abendessen wollten wir uns trotzdem gönnen. Doch die Realität hatte andere Pläne: Die meisten Restaurants waren, entgegen den Google-Öffnungszeiten, bereits im Winterschlaf.
Nachdem alle von uns angesteuerten Lokale verriegelt waren und es draussen langsam eindunkelte, gaben wir auf. Wir setzten uns vor einem Friedhof auf eine beleuchtete Bank und statt einer feinen Lammkeule gab es nun Teigwaren mit Broccoli und Kokosmilch 🤪 – war gar nicht so schlecht!
Plötzlich steuerte Anika mit ihrem Velo aus dem Dunkeln auf uns zu. Auch sie war auf der Suche nach einem Platz, um ihr Abendessen zu essen, und blieb neugierig stehen. So bekam Beni an seinem Geburtstag doch noch unverhofft weitere Gesellschaft – und wir verbrachten den Abend mit spannenden Gesprächen über das Unterwegssein, Erlebte und neue Pläne.

Nach dem Essen schoben wir zu dritt unsere Velos in einen nahegelegenen Park, stellten die Zelte auf und legten uns schlafen. Ein etwas anderer Geburtstag, aber definitiv einer, den man so schnell nicht vergisst.

Wer unsere Ausrüstungsliste etwas genauer studiert hat, hat sich vielleicht gefragt: Hat Beni wirklich seinen Gleitschirm dabei?! Ja, genau – Beni konnte sich nicht vorstellen, für eine so lange Zeit auf das Fliegen zu verzichten. Doch bis jetzt schleppte er die insgesamt gut 9 kg nur mit sich herum. Ganz so einfach ist es nämlich nicht: Man muss zur richtigen Zeit am richtigen Ort sein, und dann muss das Wetter auch noch mitspielen.
Doch am 8.11., fast einen Monat nach Beginn der Reise, war es so weit. Wir machten es uns an einem kleinen Sandstrand in der Nähe von Sète gemütlich, als Beni meinte, der Wind wäre gerade perfekt, um ein bisschen zu Groundhandeln (mit dem Schirm spielen, ohne zu fliegen).
Bei dieser Trockenübung sollte es aber nicht bleiben – nur drei Tage später passte alles! Am Startplatz Sémaphore bei Leucate konnte Beni gemütlich an der Küste soaren und schon einmal unseren weiteren Weg Richtung Pyrenäen aus der Luft begutachten.

Langsam aber sicher zeigten sich die Pyrenäen auch auf dem Velo am Horizont und wir fuhren weiter entlang des EuroVelo 8. Der EV8 hat uns positiv überrascht: meist wunderbarer Asphalt, abseits der Strasse, oft direkt an der Küste entlang. Einzig die unzähligen Touristenburgen, die weit in den Himmel ragen, trübten das Bild. Wir wollten uns gar nicht ausmalen, wie es hier wohl in der Hochsaison aussieht!
Bezaubernde Schlafplätze fanden wir oft nur wenige Meter neben dem Veloweg – in der Hauptsaison wäre das sicherlich nicht ganz so einfach.

Eine letzte Pause vor Spanien wollten wir noch einlegen, denn es gab wieder einiges zu erledigen und zu organisieren. Neben den üblichen Dingen wie Kleider waschen, duschen, Ausrüstung reinigen und pflegen, Route planen sowie Freunden und Familie schreiben, bereitete uns unser Benzinkocher Sorgen. Der Schalldämpfer, der über der Benzindüse befestigt ist, machte nämlich den Eindruck, als würde er nicht mehr lange halten.
Also buchten wir eines der wenigen Airbnbs in Argelès-Plage und machten uns an die Arbeit.
Glück im Unglück: Auf Amazon Spanien fanden wir das Ersatzteil schnell. Nun brauchten wir nur noch eine spanische Adresse, an die wir es senden konnten. Für solche Situationen ist die Plattform Warmshowers einfach super praktisch. Also schrieben wir ein paar Leute in Girona, der nächsten grösseren Stadt in Spanien, an – und Pau meldete sich nicht nur mit seiner Postadresse, sondern auch noch mit wertvollen Streckentipps über die Pyrenäen. Zudem gab er uns einen Geheimtipp: das Refugi Centre Excursionista Empordanès, eine Schutzhütte direkt an der Grenze Frankreich/Spanien.
Die Hütte war früher einmal ein Bunker; dicker Stahlbeton und kleine Fenster machten die Übernachtung zu einem kleinen Abenteuer. Wir fragten uns unweigerlich, wie man sich wohl zu Kriegszeiten dort drin gefühlt haben musste 😣.
In der Nacht fegten heftige Böen über den Pass und wir waren froh, die Nacht nicht im Zelt, sondern umringt von dicken Mauern verbringen zu können.

Wie es bei uns in Spanien weitergeht, erfahrt ihr im nächsten Blog.

Für noch mehr Einblicke in unseren Veloalltag schaut euch unser neustes Video an:

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