Georgien – Hoher Kaukasus Runde, Teil 1

Die letzten Tage in Tiflis genossen wir sehr und besuchten gemeinsam mit Dario & Lisa nebst einigen Sehenswürdigkeiten das Musik-Festival „Lisi Wonderland“. Schön war es wieder einmal Festival-Luft zu schnuppern 😍!

Schon bald hiess es dann für uns Abschied nehmen von der Hauptstadt. Wir wollten nämlich den Hohen Kaukasus und das Gebiet rund um das bekannte Dorf Mestia erkunden.
Da die Strecke von Tiflis nach Kutaissi entlang gefährlicher und wenig spektakulären Hauptstrassen führt, entschieden wir uns den Zug zu nehmen. Wir mailten an „Georgian Railways“ und fragten nach, wie und ob man mit den Velos in den Zug kann. Eine klare Antwort haben wir nicht bekommen, nur so viel, dass wir die Velos verpacken sollen (selbe Antwort auch auf Nachfrage am Ticketschalter) –> wie wir später rausgefunden haben, kann man die Velos problemlos ohne Verpackung für nur 5 Lari mit in den Zug nehmen.

Auf gut Glück begaben wir uns trotzdem auf in Richtung Bahnhof und wollten es dennoch ohne Verpacken der Velos versuchen.
Vor dem Bahnhofsgebäude sprach uns dann aber ein Georgier an und fragte uns, ob wir ein Taxi nach Kutaissi brauchen.
Wir konnten uns auf einen fairen Preis einigen (ca. 80 CHF inkl. Velos für 250 km). Wir willigten ein; was wir jedoch schon nach den ersten Kilometern schwer bereuten!
Nicole sass gegen die Übelkeit ankämpfend hinten, während Beni auf dem Beifahrersitz, meistens aber quasi im Kofferraum des vor uns fahrenden Autos, sass. Es war haarsträubend, ständige Überholmanöver in unübersichtlichen Kurven mit rasender Geschwindigkeit vorbei an Kühen und Pilonen. Wir überlegten uns ernsthaft auszusteigen. Nicole war ausser Gefecht wegen der Übelkeit, Beni’s Nerven waren am Ende und er versuchte verzweifelt dem Fahrer mit Händen und Füssen weis zu machen, dass wir keinen Temporekord aufstellen müssen.
Der Fahrer lachte nur, tippte (logischerweise während dem Fahren) die Anzahl Jahre, die er schon unfallfrei unterwegs sei, ins Smartphone.
Gefühlt hat unser Taxifahrer sämtliche Rekorde gebrochen; uns hat niemand überholt, wir aber alle 😵! In Kutaissi angekommen, schworen wir uns niemals wieder in ein georgisches Taxi zu steigen!

In der Stadt sind wir dann einen Tag geblieben. Zu sehen gibt es zwei/drei Sehenswürdigkeiten, das Highlight für uns war aber das Wiedersehen mit Michael, den wir in Vardzia kennen lernten.

Endlich wieder auf den Velos geht es los auf diese anspruchsvolle Runde im Hohen Kaukasus. Im Teil 1 berichten wir über die Strecke von Kutaissi nach Mestia:

Zuerst geht es noch eher gemächlich durch kleine Dörfer, hier scheint die Welt noch in Ordnung. Auf den Strassen tummeln sich diverse Tiere und zu jedem Haus gehört ein prächtiger Garten mit Mais, Tomaten, Zwiebeln, Gurken und vielem mehr. Diese Gärten dienen der Selbstversorgung und ist in Georgien auf dem Land noch gang und gäbe. Auch schon zu Sowjetzeiten und jetzt aktuell während der Corona-Krise kommt ihnen dies zugute.
Für diejenigen, die mehr zur Auswirkung der Corona-Krise im Land wissen möchten, können wir den Audio-Podcast: „Tourismuskrise in Georgien – Saatgut statt Schlauchboot“ empfehlen.

Die Tiere am Wegesrand haben uns immer wieder aufs Neue zu einem Stop bewogen; einfach fantastisch wie sie sich frei auf der Strasse bewegen können und sowohl Schwein als auch Kuh sich durch nichts aus der Ruhe bringen lassen.
Während eines Fotoshootings mit einem Schwein winkte uns ein Herr zu sich und seiner Familie ins Haus. Sofort zeigte er Beni seine vollendeten Arbeiten/Installationen rund ums Haus, während dessen die Frauen einen Teller nach dem anderen auftischten. Sobald auch Beni den Platz am Tisch einnahm, wurde alsbald reichlich hausgemachter Wein und Chacha (Schnaps) eingeschenkt. Einmal angefangen, war der Gastgeber nicht mehr zu bremsen 🤪🍷. Zum Schluss durfte natürlich auch das Familienfoto nicht fehlen und als hätten sie uns nicht schon mehr als genug bewirtet, beschenkten sie uns noch zusätzlich mit sagenhaften 2 Litern hausgemachtem Wein, einem halben Liter Chacha und einem Sack voll Früchten und Gemüse. Wir freuten uns sehr über diese Leckereien, aber zeitgleich dachten wir an die bevorstehenden 3’600 Höhenmeter bis nach Mestia und schluckten drei Mal leer (ca. 5 kg zusätzliches Gepäck).
Als Dankeschön überreichten wir wieder eines unserer Schweizer Sackmesser, was der Familie grosse Freude bereitete.

Um an diesem Abend bei einer heissen Quelle unser Nachtlager aufzuschlagen, haben wir gerne einen kleinen Umweg in Kauf genommen. Der Ort war magisch, im Abendlicht dampften die heissen Bäche und der dazugehörige Wasserfall wunderschön vor sich hin. Wir hätten nicht erwartet, dass wir sogar direkt neben unserem Zelt noch eine „heisse Dusche“ vorfinden würden 🤩.

Durch den kleinen Abstecher zur Quelle sind wir durch diverse weitere kleine Dörflein gefahren, wo wir sogar Wasserbüffel beim Baden beobachten konnten! Etwas weiter suchten wir einen Schattenplatz, um unser Mittagessen zuzubereiten und fanden ein verlassenes Bushäuschen. Keine 5 Minuten später kam aus dem Nichts ein Strassenpräparierfahrzeug, ein Mann mit Karre und Pferd und von irgendwo her das halbe Dorf auf uns zu – komischerweise passieren uns solche Gegebenheiten des Öfteren, keine Ahnung warum 🤷‍♀️. Nach einem kurzen Smalltalk sind sie so schnell wie sie gekommen sind auch wieder verschwunden und wir genossen unser leckeres Essen.

Kurz vor dem ersten längeren Anstieg treffen wir auf 2.5 andere Schweizer Veloreisende 😁. Morgane, Jean-David und ihr Kind, die dieselbe Route fahren wollen. Die beiden scheinen unglaublich fit, ihre Velos inkl. Anhänger für das Kind sind unglaublich schwer, trotzdem schaffen sie es die Berge hoch 💪🏻. Das Velo von Jean-David mit Gepäck, Kind und Anhänger wiegt über 100 kg 😱!!
Da wir in Mestia einen Pausentag planen, beschliessen wir uns dort nochmals zu treffen, da wir etwas schneller unterwegs sind.

An diesem Tag entlang des riesigen Enguri-Stausees fällt es uns in Georgien das erste Mal richtig schwer einen Zeltplatz zu finden, da sämtliche freie Plätze mit Bienenhäusern übersät sind. Wir kapitulieren und übernachten in einem Guest House.

Am nächsten Tag kämpften wir uns weiter den Berg hoch, als uns von weit hinten plötzlich jemand „Hopp Schwiiz“ zurief. Wir staunten nicht schlecht, als wir unsere Schweizer Freunde in einem etwas zu klein geratenen Transporter wieder erkannten. Sie nahmen das Angebot eines Georgiers an, sie mit nach Mestia zu nehmen.

Für uns hiess es in brütender Hitze bei über 35°C weiter den Berg hoch zu krakseln. Belohnt wurden wir mit schönen Landschaften und einem super tollen, sogar eingezäunten Zeltplatz.

Je höher wir kommen, umso spektakulärer die Landschaft und Aussicht. Einzig das ständige auf und ab ist sehr anstrengend, so ist man in Mestia nach gefahrenen 3’600 hm auf nur 1500 Meter über Meer.
Mestia selber ist bekannt für seine zahlreichen Wehrtürme und ist Hauptort der historischen Region Swanetien. Das Dorf wurde zwischen 2009 und 2012 zu grossen Teilen modernisiert. Dabei wurden viele der ursprünglichen Häuser abgerissen und durch neue Häuser im schweizerischen Chalet-Stil ersetzt (sie haben es zumindest versucht 😅).
Besonders gefallen hat uns das Klettern hinauf auf das Dach eines Wehrturms, auf zum Teil schwindelerregenden Leitern. Sehr zu empfehlen ist auch der Besuch im „Pub & Cinema DEDE“, wo der Film „DEDE“ zu sehen ist. Es handelt sich um ein Drama, das sich im Nachbardorf Ushguli abspielt. Inhaltlich geht es um eine Liebesgeschichte und zeigt die Schwierigkeiten auf, welche gewisse georgische Traditionen zum Teil bis heute mit sich bringen. So waren bis vor wenigen Jahren Entführungen und Zwangsheirat von Frauen legal und alltäglich. Das Spannende ist, dass die Regisseurin jeweils für Fragen vor Ort anwesend ist und sie uns erzählte, dass erst vor ein paar Jahren ein Gesetz verabschiedet wurde, um Männer, die Frauen entführen, anzeigen zu können.
Ansonsten hat uns Mestia mit seinem touristischen Flair nicht besonders gut gefallen und wir freuten uns nach einem Pausentag dem Trubel zu entfliehen.

Im Teil 2 werden wir dann über unsere Weiterfahrt bis zum Zagari-Pass (und sogar noch höher) sowie die Rückfahrt bis nach Tiflis berichten 😃.

Für noch mehr Einblicke in unseren Veloalltag schaut euch unser neustes Video an:

3 Kommentare zu „Georgien – Hoher Kaukasus Runde, Teil 1“

  1. Liebe Nicole, lieber Beni
    Ein Hoch auf den Mut ihr habt, auf dieses Turmdach zu steigen.
    Schweine, die sich artgerecht suhlen können, Wasserbüffel in ihrer natürlichen Umgebung, so schön…
    Unsere Erde ist wunderschön, viel Vergnügen beim Weiter-Entdecken.
    En ganz liebe Gruess, Heidi, d Mame Heidi

  2. Silvan Peterhans

    Meine Lieben,
    Auch ein Hoch auf eure Entscheidung, auf einer gefährlichen Route lieber das Taxi oder den Zug zu nehmen. Erinnert mich irgendwie an Ägypten, dort sind sie auch immer wie die Idioten gefahren.
    Passt weiterhin gut auf euch auf und geniesst die Tage.
    Ich drücke euch die Daumen, herzlich grüsst Silvan

  3. Pingback: Georgien – Hoher Kaukasus Runde, Teil 2 - Kommt Zeit Kommt Rad

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